Nachlese zu einer Veranstaltung am 04.04.2008

 

Chemie, das scheint ein magischer Tanz der Eigenschaften zu sein, bei dem die Tänzer ungewöhnliche Pärchen bilden und vertraute Verbindungen auseinander gehen: Flüssigkeiten wechseln ihre Farbe, werden fest und wieder flüssig, Wassertropfen und Eis entflammen, kaltes Feuer brennt, verbrennt jedoch nichts, Geysire speien Rauch statt Wasser, Schrift schreibt sich selbst, Bilder verschwinden und tauchen wieder auf. Zauberei? Teufelswerk? Ist es nicht Faust, der hinter dem Herd der Hexenküche aus dem Nebel hervortritt?

Nein. Als die Schwaden sich lichten, verbeugt sich der Chemie-Professor Rudi van Eldik, der keine Hexenküche, sondern die Bühne der Stadthalle betreten hat. "Ich bin kein Zauberer, Chemie hat nichts mit Magie zu tun, auch wenn es manchmal für Laien so aussieht", erklärt er. Trotzdem hielt er eine dreistündige "Zaubervorlesung" über das "Raumschiff Alchemie".

Auf einer Zeitreise in acht Etappen führen "Magic Rudi" und sein 15-köpfiges Chemikerteam der Universität Erlangen-Nürnberg die 1100 Zuschauer von den Anfängen der Menschheit und der Alchemie, der Mutter der Chemie, bis in die Zukunft: In der Eiszeit bringen die Chemiker den Neandertalern Feuer aus Eis, im alten Ägypten beeindrucken sie einen Hohepriester mit leuchtenden Gasen, in Pompeji versilbern und vergolden sie Kupfermünzen am Vorabend des Vesuvausbruchs, im abendländischen Mittelalter retten sie mit kaltem Feuer einen Ketzer vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen, den Indianern des Wilden Westens springen sie gegen die angreifende Kavallerie mit Schnapskanonen bei, in Walhalla besänftigen sie den Gott Tyr mit rasch gemischtem Met und in Frankreich fällt die Bastille nach einer Kettenreaktion explodierender Ballons. Sogar dem Aschaffenburg des Jahres 2024 statten die Chemiker einen Besuch ab.

Kapitän und Besatzung des Raumschiffes "FAU 1743 Alchemie", einer gelungenen, mit ironischen Kommentaren über den Klimawandel, die Bankenkrise oder die Liechtensteiner Steueraffäre gespickten Star-Trek-Parodie, vereinen die Elemente des "Edutainment" in sich: Kapitän van Eldik erläutert die chemischen Reaktionen, die seine Crew an jeder Station ihrer Zeitreise vorführen, untermalt von poppiger Musik und farbenreicher Lichttechnik. So verschmelzen Vorlesung (education) und zauberhafte Unterhaltung (entertainment) zur "Zaubervorlesung", die das Ansehen der Chemie aufpolieren und für die Wissenschaft begeistern soll.

Doch van Eldiks seltene Erklärungen bieten einen nur schemenhaften Blick auf die Wissenschaft hinter der magischen Fassade chemischer Reaktionen. "Für eine Zaubershow war es zu wenig Zauberei, für eine Vorlesung zu wenig Theorie", meint ein Zuschauer, enttäuscht über missglückte Experimente und die raren, wenig erleuchtenden Erläuterungen. "Ich weiß, dass es kompliziert ist, live zu experimentieren", erklärt Chemie-Lehrer Dr. Roland Full.

Gerade die missglückten Versuche machen für Christian Felgendreher vom gastgebenden Lions-Club die Chemie sympathisch: "Chemie ist nicht perfekt, sie lebt. Sie hat mit Stoffen zu tun, die manchmal nicht so wollen, wie sie sollen." Aus solchen Herausforderungen entstehe Kreativität und Fortschritt. "Die Chemie birgt noch viele unbekannte Welten und Herausforderungen, dass es keine Grenze zu geben scheint", meint van Eldik.

(Quelle: Mainecho 07.04.2008)