Die Schönheit des Einfachen
Dirigent Stefan Claas ließ sich Zeit, genau diese Winzigkeit an Zeit mehr, die Musik und Gesang zu einer Kostbarkeit von beglückender Tiefe und Schönheit machen kann. Und es gab viele Kostbarkeiten zu hören beim Benefiz-Weihnachtskonzert des Lions Club Aschaffenburg-Pompejanum am Sonntagabend (10.12.2006) in der mit über 500 Zuhörern voll besetzten Herz-Jesu-Kirche.
Die Zeit schien köstlich langsam zu verrinnen, als der Kammerchor Ars Antiqua ein vorweihnachtliches Lied nach dem anderen in selten zu hörender Perfektion erklingen ließ. Claas hat »Maria durch ein Dornwald ging« für achtstimmigen gemischten Chor bearbeitet. Die jungen Sängerinnen und Sänger verwandelten die ursprünglich sehr schlichte Weise in ein fein ziseliertes Nacheinander und Ineinander harmonisch ausbalancierter Stimmen.
Der helle, stets klare Sopran war behutsam und facettenreich abschattiert vom Mezzosopran und Alt. In den Männerstimmen wurde der strahlende, nie dominierende Tenor samtig und sonor von Bariton und Bass unterlegt. Dazu kamen deutliche Diktion sowie Präzision und Kontrastreichtum in Lautstärke und Tempo. Neuen Schmelz erhielten dadurch altbekannte Lieder wie »Es ist ein Ros entsprungen« von Michael Praetorius, Hasslers »Vom Himmel hoch da komm ich her«, »Adeste fideles« in einem Satz von Carl Thiel und Max Regers »Und unser lieben Frauen«.
Die Schönheit und Besonderheit des Einfachen in einer hektischen, übersättigten Zeit: Irmes Eberth brachte mit ihren Kindheitserinnerungen an Weihnachten Stille und Besinnlichkeit ins Kirchenschiff, wo im Chorraum zwei Kerzen auf dem Adventskranz leuchteten. Die Zuhörer schmunzelten über ihre Version der alljährlichen Diskussion über Baum, Festessen und Ablauf der Bescherung. Die Heimatdichterin erzählte, wie sie und ihre Geschwister mit der Großmutter durch den unbebauten, tief verschneiten Godelsberg, heute Aschaffenburgs Villenviertel, spazieren gingen, um die Zeit bis zur Öffnung des Christkind-Zimmers zu vertreiben. Am Bildstock zündete die Großmutter eine Kerze an, nach der sich die Kinder auf dem Rückweg durch die Dämmerung immer wieder umdrehten.
Momente aus einer längst vergangenen Zeit, denen nachgespürt werden konnte, als das Collegium musicum das Larghetto und Allegro aus Edward Elgars Serenade für Streichorchester in e-Moll, opus 20, erklingen ließ, wiederum in behutsam aufgefächertem Tempo, das die Klangfarben schimmern ließ und einen Himmel voller Geigen auftat.
Für zwei Höhepunkte sorgte Sopranistin Ute Ziemer, zunächst mit »Tu virginum corona« und »Alleluja« aus Mozarts Solokantate »Jubilate, exultate« für Sopran und Orchester und zum krönenden Abschluss des Abends, bevor Ausführende und Publikum gemeinsam »Macht hoch die Tür« sangen, mit dem »Ave Maria« für Sopran, Chor und Orchester von Gounod zu einer Begleitung von Johann Sebastian Bach. Ziemer bezauberte mit perlenden, nie schrillen Koloraturen. Angenehm weich auch in tiefen Lagen und äußerst beweglich in den transparenten Höhen erfüllte sie das Kirchenschiff mit Schwingungen, die viele Zuhörer lächelnd innehalten ließen.
Die Oboistin Bettina Fleckenstein und die Harfenistin Sonja Ickert bereicherten das Konzert mit weiteren Glanzlichtern. Fleckenstein spielte souverän und konturenreich den Solopart in Marcellos Oboenkonzert in d-Moll. Ickert faszinierte mit feinnervigem und ornamentreichem Spiel beim Larghetto und Allegro moderato in Händels B-Dur-Harfenkonzert, das ausgezeichnet in den der Erdenschwere entrückten Konzertrahmen passte. Peter Schäfer hatte den Benefizabend zugunsten Not leidener Menschen in der Region mit einer romantischen, fast überirdisch anmutenden Improvisation zum Advent an der Orgel eröffnet. Weil die Zuhörer am Schluss kaum mehr aufhören wollten, im Stehen zu klatschen, gab es als Zugabe »Denn er hat seinen Engeln befohlen« aus Mendelssohn-Bartholdys »Elias«-Oratorium.
Melanie Pollinger
(Quelle:Mainecho 11.12.2006)